ERFOLGE
 


Ellen Schulten-Baumer


Text von Christine Blödtner-Piske

Wenn sie an den Boxen vorbei geht, recken die Pferde ihre Köpfe neugierig vor, spitzen die Ohren und erwarten eine Streicheleinheit. Meistens, wenn Ellen Schulten-Baumer aus Rheinberg die Zeit dazu hat, kuschelt sie jedem ihrer Vierbeiner die Lieblingsstelle, krault unterm Mähnenkamm oder streicht die Hand über die Nüstern. Für die 28-Jährige gehören die Pferde nicht nur zum Beruf als Turnierreiterin, sondern Tiere sind ihre Leidenschaft. „Ja, ich würde mich als tierlieb bezeichnen“, sagt die junge Amazone aus dem Dressur-A-Kader. „Eine persönliche Beziehung zu den Pferden ist mir sehr wichtig. Wenn ein Pferd die Ohren anlegt, wenn ich in den Stall komme, dann habe ich etwas falsch gemacht. Da habe ich lieber ein Berittpferd weniger, aber dafür mehr Zeit für jedes einzelne Pferd

„Es gibt kein Mädchen, das in so jungen Jahren so viele Pferde bis zum Grand Prix selbst ausbildete, also selbst ritt“, sagte vor einigen Jahren mal der Ausbilder Dr. Uwe Schulten-Baumer über seine Stieftochter Ellen. Er, der „Doktor“ wie er in Reiterkreisen genannt wird und Isabell Werths erstes Erfolgspferd Madras waren ihre Lehrmeister. „Ich war acht Jahre alt und habe mit ihm angefangen. Irgendwann habe ich mit Halfter und zwei Stricken Einerwechsel auf der Wiese gemacht“, erinnert sie sich schmunzelnd. Nie wünschte sie sich etwas anderes, als zu reiten. Spielerisch weihte Madras sie in die hohe Kunst der Dressur ein. Mit elf Jahren bekam sie dann die vierjährige Hannoveranerstute Grace. „Ihre und meine erste Prüfung war eine Materialprüfung, und wir hatten ordentlich Speed.“

Ellen Schulten-Baumer ging nicht den klassischen Weg über Führzügelklasse und Reitwettbewerb. Dafür ist sie in einem Profi-Turnierstall groß geworden, wo Isabell Werth von Dr. Uwe Schulten-Baumer trainiert wurde. „Das war ein Vorteil für mich, denn ich konnte im Alltag hautnah alles miterleben und davon profitieren.“ Isabell Werth, war Isabell und nicht die Olympiasiegerin. Sie erstarrte nicht vor Ehrfurcht, sondern alles war für sie selbstverständlich und normal. Als klar war, dass sie Talent hat, passioniert, pflichtbewusst und arbeitsam ist, wurde sie im Trainingsalltag integriert. „Von Anfang an war alles darauf gepolt, das ich mal Grand Prix reiten würde.“ Und das macht sie schon seit zehn Jahren.

Mit ihrer Stute Grace griff sie zum ersten Mal nach Medaillen. Bei den Junioreneuropameisterschaften wurde sie Zweite. Doch dann musste ihre Stute aus gesundheitlichen Gründen aus dem Sport genommen werden. Eine Welt brach zusammen. Aber Weserperle kam. Sie arbeitete sich wieder ran, denn auch Weserperle war jung als sie zu Schulten-Baumers in den Stall kam. Aber die Geduld zahlte sich aus. 1996 und 1997 Mannschafts- und Einzel-Vizeeuropameister Junioren¸1998  Mannschafts- und Einzel-Europameister Junge Reiter Dreimal gewann sie den Piaff-Förderpreis und ließ sich im Alter von 20 Jahren vorzeitig zu den Senioren hochstufen.

Mit Haut und Haaren hat sie sich den Pferden verschrieben. Was einst als Teenagerliebe hätte abgetan werden können, ist inzwischen ernster Alltag. Denn ihr bekannter Nachname ist in gewisser Weise auch eine Verpflichtung. „Wenn ich ein Pferd in Beritt bekomme, dann erwarten die Leute, dass daraus ein Grand-Prix-Pferd wird. Ich finde es schön, das mir die Leute das zutrauen.“ Aber es ist für sie auch eine Art Druck. Denn es gibt viele Berufsreiter, die nie ein Grand-Prix-Pferd ausbilden könnten, von Ellen Schulten-Baumer wird aber Serienproduktion erwartet. Und wie fängt sie damit an? Von Anfang an versucht sie, die Pferdepersönlichkeit in die Arbeit einzubeziehen. „Grundsätzlich versuche ich, die Pferde spielerisch an die Lektionen heranzubringen. Ich achte immer darauf, dass ich das Pferd nicht überfordere“, sagt sie und betont mit zwinkerndem Auge, dass die Vierbeiner mit Spaß und guter Laune ins Bett gehen sollen. „Alles andere kommt von selber.“ Sie will die Pferde nicht „knechten und einengen“, wie sie sagt und ihnen die Zeit lassen, die sie brauchen. „Klar müssen sie auch arbeiten, aber peu á peu. Es macht nichts, wenn ein junges Pferd mal so richtig vorwärts geht. Ich baue dann auch schon mal einen fliegenden Wechsel ein. Man darf das Pferd nicht in seinem Bewegungsablauf eingrenzen, sondern muss ihm die Möglichkeit geben, sich zu entfalten.“ Allerdings stellt sie im selben Atemzug schmunzelnd heraus: „Natürlich möchte ich nicht zu oft daneben sitzen.“

Auch sie ist schon Bundeschampionat mit den vierbeinigen Talenten geritten, aber nur mit denen, die sich dafür anboten. Sie beurteilt kritisch, ob ein Pferd diesen Anforderungen gewachsen ist oder nicht. Denn sie weiß: „Gerade mit der Entwicklung der heutigen Zucht haben wir Pferde mit viel Blut, und die zünden einfach ein bisschen später. Sie sind noch viel mit sich selber beschäftigt und oft sind sie sehr schlaksig“, erklärt sie und findet es schade, wenn sie ein Pferd vierjährig gesehen hat, begeistert war und das selbe Nachwuchstalent mit sieben Jahren den Glanz verloren hat. Tagtäglich steht sie unter den Fittichen des berühmten Dressurausbilders Dr. Uwe Schulten-Baumer. Und er verlangt auch im Training immer wieder Höchstleistungen. Gibt es da nicht hin und wieder Streit? „Letztendlich ist es so, man will ja das selbe. Das Aneinanderreiben und Fordern, bringt einen auch weiter nach vorne. Aber es begrenzt sich auf die Reithalle.“ Im Training nimmt sich Ellen Schulten-Baumer viel Zeit für die Pferde. Lange reitet sie Schritt, bevor sie mit der eigentlichen Belastung beginnt. „Das bringt mehr, als wenn ich morgens 20 Minuten und nachmittags 20 Minuten reite“, sagt sie.

Seit knapp zehn Jahren reitet sie regelmäßig und erfolgreich Grand Prix. Sie gilt als nervenstark und kann genau auf dem Punkt reiten. Dabei vertraut sie nicht nur auf das Bauchgefühl und auf kleine Rituale für ihre Pferde, sondern auch auf den Glücksbringer aus Kindheitstagen: Ihre erste Anstecknadel ist immer dabei. Stetig verfolgt sie den Weg nach oben. Und auch beim Hamburger Derby siegte sie in der Prüfung mit Pferdewechsel. „Eigentlich wollte ich in München reiten, entschloss mich aber spontan für Hamburg.“ Und nun hängt der Lorbeerkranz mit blauer Schärpe über den Stalleingang. „Ich bin mächtig stolz darauf“. Nach den Deutschen Meisterschaften in Gera nominierte sie der Dressurausschuss nun endlich ins deutsche Team für die Europameisterschaften Anfang September in Torino (Italien), wo sie mit der Mannschaft Vize – Europameister wurde. 

Anfang März diesen Jahres ereilte sie ein herber Schicksalsschlag. Nach wie vor bekommt sie glasige Augen, wenn sie vom Tod ihres Spitzenpferdes Lesotho spricht, und man merkt, dass es ihr nahe geht, aber sie bleibt gefasst. Der 14-jährige Wallach musste wegen einer irreparablen Störung des zentralen Nervensystems eingeschläfert werden. Um so mehr konzentriert sie sich nun auf ihr zweites Spitzenpferd Donatha S. Und der Anschluss hat nahtlos geklappt. Voller innerer Harmonie spricht sie über die Fuchsstute und vergleicht ihren Charakter mit einem Butterblümchen: „Sie ist sehr anhänglich und eine richtige Schmusebacke. Auf Turnier ist sie ein sehr verlässliches Pferd, immer abrufbar. Sie ist vom Herzen her unheimlich gut.“

Wie stellt sich die junge Dressurreiterin ihre eigene Zukunft vor? „Bunt“, sagt sie lachend und wird dann ernst. „Mit den jungen Pferden ist der Fahrplan für mein Leben schon gesteckt!!!“

 
 
   
           
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